Manche Anfragen bescheren selbst dem erfahrensten Karosserieexperten einige Grübelfalten im Gesicht. Die Ursache? Ein wunderschöner 4-sitzer eines deutschen Sportwagenherstellers, dessen Karosserie praktisch rundherum komplett zerbeult war. Was war geschehen? Einige Tage zuvor befand sich unser Kunde nach einer langen Geschäftsreise im Landeanflug auf den Flughafen Mailand. Nach Stunden auf unbequemen Flugzeugsesseln freute er sich bereits auf die entspannte und bequeme Heimfahrt mit seinem Gefährt.
Das Lächeln der Vorfreude verschwand aber urplötzlich aus seinem Gesicht, als er in der Dämmerung des Parkplatzes auf sein Fahrzeug zusteuerte. Wahnsinn: Motorhaube, Dach, Kofferraum, ja sogar Kotflügel und Türen waren komplett mit ca. drei cm breiten Beulen übersät. Ein massiver Hagelsturm war Schuld an dieser unschönen Überraschung, die daneben geparkten Autos sahen nicht besser aus. „Die Vollkaskoversicherung wird’s schon richten“, dachte der Besitzer und nahm etwas besorgt die Fahrt nach Hause auf. Am nächsten Tag in der Werkstatt ging jedoch die Diskussion los, und sie sollte sich als alles andere als einfach herausstellen. Schließlich wurde ein Gutachter hinzugerufen, der sich aber auch nicht festlegen wollte, ob und wie die Reparatur im vertretbaren Kostenrahmen durchgeführt werden kann. Stichwort „Multimaterialmix“: das heißt, dass in Sportwagen zur Gewichtseinsparung unterschiedliche Materialien wie Aluminium, verschiedene Stähle und Karbon nebeneinander verbaut werden. Laut Gutachter muss jedes dieser Materialien anders behandelt werden. Das macht großflächige Reparaturen wesentlich aufwändiger. Der Besitzer war alarmiert: Sollte es etwa ein Totalschaden sein? Ein weiterer Gutachter fällte schließlich das Urteil über das Fahrzeug: Im Mutterhaus des Herstellers sollten alle Anbauteile und das Dach abmontiert, teilweise abgesägt und dann neu aufgebaut werden. Der Besitzer fragte sich innerlich schon, wie viele Wochen das wohl dauern würde und was das für den Werterhalt bedeutete.
Schließlich wurde Continental in Bozen hinzugezogen. Meister Erwin Mittelberger begann sofort mit der Untersuchung aller Oberflächen und kam nach langem Überlegen und Grübeln zu dem Urteil: „Alle Beulen können herausgedrückt werden; höchstwahrscheinlich komplett ohne Lackieren“. Der Besitzer war einerseits erleichtert, andererseits etwas besorgt, ob das Vorgehen wirklich Erfolg bringen würde. Dennoch erteilte er den Auftrag, da ihm diese Vorgangsweise wesentlich sanfter vorkam.
Und tatsächlich: nach vielen Stunden drücken, hebeln, ziehen, biegen und messen beweist die elektronische Karosserievermessung, dass keine Abweichungen vom Originalzustand mehr feststellbar sind. Lackieren? Unnötig!
Noch spät am Abend erreicht uns ein begeisterter Anruf vom Kunden, der gerade sein Auto einer Reihe von Freunden gezeigt hatte: Niemand könne die geringste Beule feststellen! Ein guter Moment um den Feierabend zu beginnen.